2 Prozesse = 2 Freisprüche und neue Ermittlungsverfahren gegen die Polizei. Das ist die eindeutige Bilanz zweier Gerichtsprozesse gegen antifaschistische Protestler, die am 3. März 2012 in Münster-Sprakel an der Anreise nach Münster gehindert wurden und denen die Staatsanwaltschaft vorwarf, dabei „Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte“ begangen zu haben.
Ein heute (18.01.2013) vor dem Amtsgericht Münster verhandelter Prozess gegen einen jungen Mann endete mit einem Freispruch. Der Vorwurf des „Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte“ hatte sich als unhaltbar herausgestellt. Die als Zeugen geladenen Polizeibeamten, welche an der Räumung des Zuges in Sprakel beteiligt waren, widersprachen sich in ihren Aussagen. Die Videoaufnahmen der Polizei zeigten ebenfalls keine Widerstandshandlungen seitens des Angeklagten. Folgerichtig forderte am Ende sogar die Staatsanwaltschaft einen Freispruch für den Gegendemonstranten.
Angeklagter wurde von der Polizei verletzt
Angesichts dieses Gerichtsurteils gibt es nun selbst in der Logik von Polizei und Staatsanwaltschaft keinerlei Erklärung mehr für die Verletzungen des Angeklagten. Der Angeklagte erlitt bei seiner Ingewahrsamnahme u.a. eine Augenquetschung und ein abgerissenes Lippenband – obwohl er nachweislich keinen Widerstand leistete. Das „Keinen Meter“-Bündnis ist sich sicher: „Deutlicher kann man einen Missbrauch von ‘unmittelbarem Zwang’ durch die Polizei nicht illustrieren: Die Staatsanwaltschaft muss nun tätig werden und gegen die eingesetzten BeamtInnen ermitteln“, so die Bündnis-Sprecherin Nina Bloch.
Freispruch auch in Osnabrück
Bereits ein vor einigen Monaten in Osnabrück verhandeltes Verfahren gestaltete sich aus Sicht der Staatsanwaltschaft schwierig. Die Richterin erwies sich als befangen und wurde nach dem 1. Verhandlungstag ausgetauscht. Das Verfahren endete nach Sichtung des von der Polizei angefertigten Beweisvideos mit einem klaren Freispruch: Eine Widerstandshandlung des Angeklagten war auf den Videos nicht zu erkennen. Was die Aufnahmen jedoch zeigten, war ein ruppiges Vorgehen der eingesetzten PolizistInnen. Auf Anraten der Richterin sah sich die Staatsanwaltschaft Münster gezwungen, im Anschluss ein Ermittlungsverfahren wegen Körperverletzung im Amt einzuleiten.
Brutale Zugräumung
Hintergrund der beiden Prozesse ist die Räumung einer Regionalbahn am 3. März 2012 durch die Polizei am Haltepunkt Sprakel. Rund 150 AntifaschistInnen, die von Osnabrück aus gemeinsam nach Münster reisen wollten, wurden dort gestoppt und teilweise unter Anwendung von Gewalt aus dem Zug geräumt. Mehrere Menschen wurden dabei in Gewahrsam genommen. Einigen von ihnen wurde im Nachgang von der Staatsanwaltschaft „Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte“ vorgeworfen. Klaus Rüther, der Anwalt des Angeklagten, stellte auf Grundlage eines ihm vorliegenden Berichtes des polizeilichen Einsatzleiters die Rechtmäßigkeit der Zugräumung in Sprakel in Frage.
„Augenscheinlich wollte die Polizei am 3. März in Sprakel bewusst eine Eskalation herbeiführen, um einen Vorwand zu haben, die anreisenden GegendemonstrantInnen an der Anreise nach Münster und damit an der Teilnahme an den Protesten zu hindern“, so die Bündnis-Sprecherin Nina Bloch. „Die von der Polizei verbreitete Darstellung, sie hätte in Sprakel gerade noch rechtzeitig eingegriffen, um anreisende Gewalttäter zu stoppen, ist schlichtweg nicht mehr haltbar“.
Polizeigewalt aufklären
Bloch weiter: „Anstatt weiterhin Protestierende zu kriminalisieren, sollte die Staatsanwaltschaft nun endlich die Aufklärung der Polizeigewalt ernsthaft voran treiben.“ Nach Ansicht des „Keinen Meter“-Bündnis reiht sich der brutale Einsatz bei der Räumung des Zuges in die lange Liste von Schikanen und Übergriffen der Polizei auf GegendemonstrantInnen am 3. März in Münster. Das „Keinen Meter“-Bündnis fordert die lückenlose Aufklärung der Übergriffe durch die Polizei.
Im November 2012 stellte die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren wegen „Körperverletztung im Amt“ gegen einen Polizeibeamten ein, der am 3. März einen jungen Mann schwer verletzte. Die Entscheidung der Staatsanwaltschaft war auf Unverständnis gestoßen, da von der Polizei unabhängige ZeugInnen brutale Gewaltanwendung geschildert hatte.
Spenden zur Unterstützung der Betroffenen
Das Bündnis wird die Betroffenen weiter unterstützen und prüft derzeit weitere rechtliche Mittel. Zur Unterstützung der Aufarbeitung und Deckung der Verfahrenskosten bittet das Bündnis um Spenden auf folgendes Konto:
Bündnis Münster gegen Nazis
Konto-Nr. 91 666 800
Volksbank Münster eG
Bankleitzahl 401 600 50