Bei einem von der AfD organisierten Vortrag in der Stadtbücherei am letzten Mittwoch haben der Ratsherr Martin Schiller und weitere AfD-Mitglieder gegenüber einem Gast des anliegenden Cafés Gewalt angewendet. Der Betroffene musste sich mit Verletzungen ärztlich behandeln lassen, nachdem er von den AfDlern aus der Stadtbücherei gezerrt worden war. Er erlitt bei dem Übergriff Fingerstauchungen sowie eine Rippenprellung. Der Betroffene hat inzwischen Anzeige gegen Martin Schiller, Patrick Wilke sowie einen bislang namentlich nicht bekannten Beteiligten erstattet.
Von dem von der AfD attackierten Mann ging zu keinem Zeitpunkt eine Gefahr für andere Menschen oder eine Störung der AfD-Veranstaltung aus. Der Mann, ein Stammgast des Café Colibri in der Stadtbücherei, war von Schiller noch vor Beginn der AfD-Veranstaltung als vermeintlicher „Störer“ ausgemacht worden. Als er die Toilette im Untergeschoss der Bücherei benutzte, wurde er von Schiller und zwei Helfern abgefangen, festgehalten, die Treppe hinauf geschleift und schließlich vor der Eingangstür auf den Boden geworfen. Einer der beteiligten AfDler ist Patrick Wilke, ehemaliger AfD-Kreissprecher aus Dortmund und bereits in der Vergangenheit wegen Gewalttätigkeiten bekannt geworden.
Für den Vorfall gibt es mehrere ZeugInnen, u.a. den Wirt des Café Colibri, der noch versucht hatte, Schiller von dem Übergriff abzuhalten. Martin Schiller bestätigte den Vorfall in zwei Facebook-Postings und veröffentlichte selbst auch Bildmaterial des gewaltsamen Rauswurfs des Büchereigastes, den Schiller als „Durchsetzung des Hausrechts“ bezeichnet. Unverhohlen äußerte er zudem seine Freude über die Tat und schreibt: „Hier packt der Kreissprecher noch selber mit an.“
Das „Keinen Meter“-Bündnis verurteilt den Übergriff auf einen Besucher der Bücherei auf das Schärfste und fordert, die Vergabe städtischer Räumlichkeiten an die AfD auszusetzen sowie strafrechtliche Ermittlungen gegen die beteiligten AfD-Mitglieder einzuleiten. „Die AfD hat erneut bewiesen, dass sie eine antidemokratische Partei ist, die auch vor Gewalt und Selbstjustiz nicht zurückschreckt“, so Carsten Peters, Pressesprecher des Bündnisses. „Ein gewaltsamer Übergriff auf einen Besucher einer öffentlichen Institution wie der Stadtbücherei ist ein Angriff auf die Stadtgemeinschaft und muss spürbare Konsequenzen für die Partei haben.“
Das Bündnis „Keinen Meter den Nazis” fordert die Stadt auf, der AfD kein weiteres Mal die Stadtbücherei zu überlassen „Die Stadt Münster muss die Notbremse ziehen und ihre Vergabepraxis für städtische Räumlichkeiten gegenüber der AfD ändern“, so Liza Schulze-Boysen, Pressesprecherin des Bündnisses.
Angesprochen auf die rechtliche Einschätzung des Vorfalls durch die AfD sieht das Bündnis ebenfalls Klärungsbedarf: „Ja, das Hausrecht ist generell in engen Grenzen ein notwehrfähiges Rechtsgut“, so Liza Schulze-Boysen, „aus unserer Sicht lagen die Voraussetzungen hier offensichtlich nicht vor.“
Das Bündnis erklärt seine rechtliche Würdigung der Ereignisse wie folgt: „An erster Stelle ist zu klären, für welche Bereiche der Bücherei der AfD das Hausrecht übertragen wurde und ab welchem Zeitpunkt dieses galt. Da sich der Übergriff vor dem Beginn der eigentlichen Veranstaltung und außerhalb des Veranstaltungsraumes im öffentlich zugänglichen Bereich ereignete, liegt die Annahme nahe, dass die AfD hier gar keine rechtliche Handhabe hatte oder diese erst zu einem späteren Zeitpunkt, d.h. nach Schließung des Café Colibri gegolten hat.
Zum Anderen ging von dem vermeintlichen ‚Störer‘ offensichtlich gar keine Störung der AfD-Veranstaltung aus. Diese hatte zum Zeitpunkt des Übergriffs noch gar nicht begonnen. Es erschließt sich nicht, wie von der Toilette im Untergeschoss aus eine Störung der Veranstaltung im Lesesaal möglich sein soll. Zuletzt stellt sich die dringende Frage nach der Verhältnismäßigkeit: Die Polizei war am 25. April 2018 mit zahlreichen BeamtInnen deutlich sichtbar vor Ort präsent und für Herrn Schiller jederzeit ansprechbar. Er hätte die Polizei problemlos bitten können, die rechtliche Lage zu bewerten und ggf. das Hausrecht für die AfD durchzusetzen – dies tat die Polizei ja gegenüber den rund 1000 Protestierenden außerhalb der Stadtbücherei ebenfalls.“
„All dies tat Herr Schiller aber nicht“, analysiert Schulze-Boysen, „stattdessen holte er sich Verstärkung aus der Partei und gemeinsam entschied man sich, ein Exempel zu statuieren. Die AfD legte selbst Hand an und verübte Selbstjustiz. Hier sollte die eigene Macht gewaltsam demonstriert werden.“
Auch in seiner Haltung, die AfD vom in gut einer Woche stattfindenden Katholikentag auszuladen, sieht sich das Bündnis bestärkt: „Hetze gegen den Vorsitzenden der jüdischen Gemeinde; der Versuch, den Amoklauf am Kiepenkerl mit diskriminierenden Falschmeldungen für politische Zwecke zu instrumentalisieren; und nun ein gewalttätiger Übergriff auf einen Besucher der Stadtbücherei – man muss sich schon fragen, was alles noch passieren muss, bis der Katholikentag seine Haltung zur AfD überdenkt“, so Peters abschließend, “Wir werden am 12. Mai umso entschlossener unseren Standpunkt gegen die AfD auf die Straße tragen.“