Pressemitteilung vom 19.03.2012
Auf der Veranstaltung der Anwohner_innen des Rumphorstviertels am vergangenen Sonntag, zu dem diese auch den Polizeipräsidenten Wimber und Herrn Schieferbein, den Einsatzleiter vom 3.3.2012, eingeladen hatten, um zu den Beschwerden der Anwohner_innen Stellung zu beziehen, versuchten diese, den Polizeieinsatz am 3.3. zu rechtfertigen.
Dies ist ihnen jedoch nicht gelungen. Beide ernteten lediglich das Gelächter von den etwa 400 Anwohner_innen, als sie die Maßnahmen, die von der Polizei gegen die Anwohner_innen ergriffen wurden, mit dem Gewaltmonopol des Staates zu rechtfertigen versuchten. Wimber bezog sich bei seinen Ausführungen zum Versammlungsrecht der Nazis auf ein Urteil des Verwaltungsgerichts Münster, welches einen Antrag eines Anwohners, den Aufmarsch nicht vor seiner Haustür vorbeiziehen zu lassen, verworfen hatte. Er verwies dabei auf die Aussage, dass die Anwohner es hinzunehmen hätten, wenn Nazis bei Aufmärschen an ihren Häusern vorbeilaufen. Er ließ dabei aber vollkommen außer acht, dass auch die Beeinträchtigungen, die die Anwohner_innen hinzunehmen haben, ihre Grenzen haben. Eine Abwägung der grundrechtlich geschützten Güter kann es nicht rechtfertigen, wenn Hundertschaften durch ein Viertel laufen und Jagd auf Anwohner_innen machen, sie in ihre Häuser schicken oder die zwangsweise Räumung androhen.
Bereits vor Bekanntwerden der Nazi-Route waren für die Polizei die Proteste und Versammlungen dagegen (auch eine spontane Versammlung bzw. Sitzblockade ist rechtlich als solche zu werten) das viel größere Problem als der Aufmarsch von mehreren Hundert Nazis und die von diesen ausgehende Gewalt gegen AnwohnerInnen, GegendemonstrantInnen. Diese Sicht auf die Dinge stellt das eigentliche Problem des 3.März 2012 in Münster dar. Und das muss beim nächsten Mal – denn das wird es geben – anders sein.
Auch dass sogenannte „Anti-Konflikt-Teams“ von Haus zu Haus laufen und die Anwohner_innen unter Androhung von Gewalt drängen ihre Häuser nicht zu verlassen und ihnen somit den Protest gegen die Nazis verbieten, kann nicht hingenommen werden. Dies war die Unterbindung bürgerlichen Protests!
Auch die Mittel mit denen die Polizei versucht einen Naziaufmarsch durchzusetzen, müssen den rechtsstaatlichen Grundsätzen genügen. Denn wenn die Polizei selbst zu rechtswidrigen Mitteln greift, braucht sie auch nicht mehr mit der Akzeptanz der Bürger_innen zu rechnen. Zur Begründung des harten Durchgreifens der Polizei führte Wimber an, dass die Polizei bei ihrem Handeln zu Verhinderung von Straftaten ausschließlich dem Legalitätsprinzip unterliege. Demnach sei die Polizei zur Verhinderung einer Straftat mit allen Mitteln verpflichtet. Dies ist so nicht richtig. Die Polizei hat bei ihrem Handeln ebenso das Opportunitätsprinzip zu berücksichtigen. Es obliegt ihr demzufolge bei weniger intensiven Straftaten und insbesondere bei Ordnungswidrigkeiten (und genau eine solche stellt eine Sitzblockade dar) abzuwägen, ob sie von einer Verfolgung absieht. Gerade ein kollektiver Regelverstoß, der die Begehung einer Ordnungswidrigkeit zum Ziel hat, eröffnet sich der Polizei hierdurch die Möglichkeit von einer Verfolgung abzusehen. Und genau dies hat die Polizei am 3.3. an anderer Stelle auch getan: Als die Nazis ihre volksverhetzenden Reden hielten, als die Teilnehmer_innen der Demonstration auf dem Hinweg zur Demonstration „Heil Hitler“ und später auf der Demonstration selbst „Deutschland den Deutschen – Ausländer raus“ riefen. Dort ist die Polizei zu keinem Zeitpunkt gegen die Täter_innen vorgegangen. Dies zeigt, wie die Münsteraner Polizei an diesem Tag ihr Ermessen ausgeübt hat. Während sie die Anwohner_innen mit offensichtlich strafrechtlich relevanten Mitteln in Schach hält, lässt sie den Nazis
ungestört ihre menschenverachtende Ideologie verbreiten. Dies dürfte wohl
ein Ausdruck des unverhohlenen Linkenhasses der Münsteraner Polizeiführung sein, den Herr Wimbert und Herr Schieferbein auch am vergangenen Sonntag Abend während ihrer Ausführungen zur Schau stellten.
Auch der gewalttätige Übergriff mehrerer Polizisten der 17. Bereitschaftspolizeihundertschaft aus Münster auf einen 20 jährigen Gegendemonstranten wurde von Wimber gerechtfertigt. Er argumentiert, wie er es bereits zuvor in der Presse getan hatte, damit, dass der Verletzte zuvor kurz vorher eine Flasche geworfen habe. Mit diesem vermeintlichen Flaschenwurf, für den er bisher einen Beweis schuldig geblieben ist,
rechtfertigte er die brutale Selbstjustiz der Polizisten. Diese hatten nach Berichten von Augenzeug_innen (WDR Lokalzeit Münsterland vom 3.3.12) mit mehreren Personen so lange auf den 20 jährigen eingeschlagen und eingetreten, bis dieser regungslos liegen blieb. Nur durch eine zufällig anwesende Notärztin konnte Schlimmeres verhindert werden. Wären die Täter keine Polizisten sondern Jugendliche in einer S-Bahn, wäre die Tat sofort als ein versuchter Mord/Totschlag aufgenommen worden. Allein die Tatsache, dass es sich bei den Tätern um Polizisten handelt, lässt die Tat zu einer einfachen Körperverletzung werden. Die Tatsache, das alle Polizist_innen in ihrer Ausbildung gelernt haben, wie sie eine Person festnehmen können, ohne sie bewusstlos zu schlagen lässt Wimber bei seinem Versuch der Rechtfertigung außer Betracht. Aus unserer Sicht handelt es sich daher bei diesem Übergriff um einen gezielten Angriff, der beteiligten Polizisten, der in seiner Intensität durch nichts zu rechtfertigen ist.
Wir fordern daher:
- Die umgehende Aufklärung der Tatumstände durch eine unabhängige Ermittlungskommission und die Distanzierung von den Übergriffen durch die Polizeiführung.
- Die lückenlose Aufklärung aller Fälle von Polizeiübergriffen am 3.3.2012
- Die Suspendierung der Beamten der 17. BPH aus Münster, die verdächtig sind, für den brutalen Übergriff auf den schwerverletzten Demonstranten verantwortlich zu sein, bis die Vorwürfe aufgeklärt wurden
- Die Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamt_innen