Die Staatsanwaltschaft Münster hat das Verfahren gegen den Polizeibeamten, der am 3. März 2012 einen jungen Demonstranten schwer verletzt hat, erneut unter fragwürdigen Annahmen eingestellt. Die erneute Entscheidung war notwendig geworden, weil das Oberlandesgericht Hamm den Bescheid zur Einstellung der Ermittlungen durch die Staatsanwalt aufgehoben hatte. Das Bündnis „Keinen Meter den Nazis“ bezeichnet die erneute Einstellung als zynisch und fordert nun politische Konsequenzen.
Im November 2012 hatte die Staatsanwaltschaft das Verfahren gegen einen Polizisten, der einen jungen Gegendemonstranten bei einer Festnahme schwer verletzt hatte, eingestellt, da sie der Ansicht war, der Polizist hätte in Notwehr gehandelt. Das „Keinen Meter“-Bündnis hatte diese Einstellung als handfesten Skandal bezeichnet und angesichts der zahlreichen Widersprüche in der Begründung der Einstellung eine Wiederaufnahme der Ermittlungen gefordert (Vgl. hierzu die Pressemitteilung #14: „Brutaler Polizeieinsatz am 3. März bleibt ohne Folgen…“ vom 26.11.2012 Eine vollständige Chronik des Verfahrens findet sich hier)
Die Rechtsanwältin des verletzten Demonstranten hatte nach der ersten Einstellung ein Klageerzwingungsverfahren beim Oberlandesgericht Hamm eingeleitet. Mit Erfolg: Das Oberlandesgericht hob die Entscheidungen der Staatsanwaltschaft auf und ordnete an, Anklage wegen Körperverletzung im Amt gegen den verdächtigen Polizisten zu erheben. Diese gerichtliche Zurechtweisung außer Acht lassend stellte die Staatsanwaltschaft Münster das Verfahren jetzt gemäß §153a der Strafprozessordnung aus „Opportunitätsgründen“ gegen Zahlung einer Geldbuße ein.
Lisa Grüter, die Anwältin des verletzten Demonstranten, führt dazu aus: „Die Einstellung des Verfahrens durch die Staatsanwaltschaft Münster ist ein weiterer Schlag ins Gesicht für ein Opfer von Polizeigewalt. Der Geschädigte wurde durch die Staatsanwaltschaft zunächst gezwungen, alle Instanzen zu durchschreiten, um zu seinem Recht zu kommen, nur damit das Verfahren jetzt auf dem für den Beamten mildesten Weg eingestellt wird.“
„Das Oberlandesgericht hat eindeutig entschieden, dass die Staatsanwaltschaft Anklage wegen Körperverletzung im Amt zu erheben hat. Stattdessen das Verfahren getreu dem Motto ’selbst wenn das Oberlandesgericht meint, dass eine Straftat vorliegen könnte, dann war sie nicht so schlimm‘ einfach einzustellen, ist in meinen Augen moralisch höchst fragwürdig“, so Grüter weiter.
Für das „Keinen Meter“-Bündnis ist die erneute Einstellung des Verfahrens nicht mehr zu rechtfertigen. Nachdem das Oberlandesgericht die Interpretation der Staatsanwaltschaft nicht teilte, wurde aus einer Körperverletzung im Amt urplötzlich eine Geringfügigkeit, die noch vor Erhebung der Anklage – wie sie das OLG gefordert hatte – eingestellt werden konnte. „Anstelle die richtigen Schlüsse aus der Entscheidung des Oberlandesgerichtes zu ziehen und diesen brutalen Übergriff lückenlos aufzuklären, macht sich die Staatsanwaltschaft erneut zum willigen Helfer prügelnder PolizistInnen“, so Nina Bloch, Pressesprecherin des „Keinen Meter“-Bündnisses. „Die Staatsanwaltschaft handelt hier in offenkundiger Weise politisch und offenbart denselben Korpsgeist, der bei der Polizei seit Jahren schon kritisiert wird.“
Gegen die erneute Einstellung des Verfahrens sieht die Strafprozessordnung keine weiteren Rechtsmittel vor. Das „Keinen Meter“-Bündnis fordert nun, politische Konsequenzen aus der Polizeigewalt am 3. März 2012 zu ziehen. Dazu gehören u.a. die Einsetzung einer unabhängigen Ermittlungsbehörde zur Aufklärung von Polizeigewalt und die Einführung einer Kennzeichnungspflicht für PolizeibeamtInnen „Mit diesen Forderungen stehen wir nicht alleine da,“ so Carsten Peters, Pressesprecher des „Keinen Meter“-Bündnisses. „Es ist an der Zeit, die richtigen Schlüsse aus skandalösen Vorgängen wie am 3. März in Münster zu ziehen und endlich wirksame Maßnahmen zur Bekämpfung von Polizeigewalt zu ergreifen.“